Am 19.09.2013 urteilte das Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg (OVG)
[1] über die Klage der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow gegen das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Das BAF hatte die Flugrouten für den zukünftigen BER abgewogen und am 26. Januar 2013 festgelegt. Die Klage der Gemeinde zielte gegen die geraden Abflugrouten für die Nordbahn des zukünftigen BER. Sie konnte einen Teilerfolg lediglich für die Nachtabflüge Richtung Westen erzielen. Das BAF muss die Nachtflugroute lt. OVG überprüfen und erneut festlegen. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) führte am 14.11.2014
[2] zu einer Bestätigung des Urteils des OVG.
Im Folgenden werde ich die Folgen aus dem Urteil und dessen Hintergründe darstellen. Sie finden zudem eine Fülle von ‚Verlinkungen‘ für diejenigen, die sich durch das Quellenstudium einen eigenen Überblick und Meinung verschaffen wollen.
Blankenfelde-MahlowDie geographische Lage macht Blankenfelde-Mahlow zu einer der am stärksten durch Fluglärm belasteten Gemeinden um den BER. Ihre Lage direkt in der Ein- und Abflugschneise auf der Westseite des BER führt bei Ostwind (35%) zu Überflügen bei der Landung, bei Westwind (65%) zu Überflügen bei Starts Richtung Westen. Die Gemeinde spricht hier von der sogenannten „Doppelbelastung“, da auch bei Windrichtungswechsel keine Lärmpause eintritt.
Flugtechnisch sind gerade Anflugrouten über mehrere Kilometer
[3] für das Instrumentengestützte Landesystem (ILS) erforderlich. Lediglich bei den Abflügen gibt es Spielraum. Hier versuchte nun Blankenfelde-Mahlow mit der angestrengten Klage die Abflüge von der Nordbahn komplett nach Norden zu verschieben. Dies hätte bedeutet, dass 65% des gesamten Fluglärms der Nordbahn sowohl in den Norden der Gemeinde mit weit über 4.000 neubetroffenen Bürgern und darüber hinaus auch über das Stadtrandgebiet von Berlin, speziell nach Lichtenrade verschoben worden wären.
Die Gemeinde liegt schon seit DDR-Zeiten in der Ein- und Abflugschneise des Flughafens Schönefeld. Nach der Wende wuchs sie kontinuierlich und erlebte – nicht zuletzt mit Hilfe erheblicher Steuereinahmen aus der Luftfahrtindustrie
[4] – einen rasanten Aufschwung. Auch die Festlegung des Planfeststellungsbeschlusses im Jahr 2004 führte zu keinem Einbruch des Wachstums. Dabei zeichnete sich die zu erwartenden Belastungen durch Fluglärm mit dem Ausbau des Flughafens Schönefeld zum BER mehr als deutlich ab. In diesem Zeitraum ist die Bewohnerzahl der Gemeinde um rund 10% von ca. 24.000 auf ca. 27.000 angewachsen. An dieser Stelle sei bemerkt, dass die Bevölkerungszahl das zweitwichtigste Kriterium bei der Festlegung von Flugrouten ist, wie weiter unten dargestellt.
Flugroutenabwägung und ~festlegungVerkürzt dargestellt, entwickelt die Deutsche Flugsicherung (DFS) mehrere Flugroutenalternativen; das BAF wägt sie ab und legt sie (eine) fest und berücksichtigt dabei die Präferenz der DFS:
„Bei seiner Entscheidung hat das BAF von der Planung der Flugsicherungsorganisation auszugehen und diese – wie dies auch sonst im Planungsrecht üblich ist – im Rahmen eines eigenständigen Abwägungsprozesses abwägend nachzuvollziehen.“ BAF, 26.01.2012, S.16
[5].
Bei der Flugroutenfestlegung finden mehrere Kriterien Anwendung – das wichtigste ist die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs (§ 27c Abs. 1 LuftVG)
[6]. Erst danach findet die Lärmbelastung Berücksichtigung.
FlugsicherheitStarts und Landungen stellen im Flugverkehr die kritischen Momente dar. Das rasche Erreichen einer größeren Flughöhe ist hierbei ein wichtiger Sicherheitsaspekt – im Ernstfall ermöglicht eine große Flughöhe dem Piloten mehr Zeit zur Reaktion und ggf. das Wenden und Zurückkehren zum Ausgangsflughafen.
Jedes Richtungsänderungsmanöver, das ein Pilot beim Startvorgang fliegen muss, reduziert die Steigfähigkeit des Flugzeugs und verlängert die Zeit bis zum Erreichen einer sicheren Flughöhe.
Zudem nimmt der Fluglärm am Boden rascher ab, je schneller ein Flugzeug Höhe erreicht.
Gerade Nachtabflugroute in jedem Fall?
Jede Abflugroute muss darauf ausgelegt sein, dass sie von jedem Flugzeugmodell beflogen werden kann. Für die Nutzung der Nacht-Alternativroute 4 wird ein modernes ‚flight management system‘ benötigt. Die meisten der am BER eingesetzten Flugzeugmodelle verfügen zwar darüber – aber nicht alle.
Für diese Maschinen wird die DFS in jedem Fall die gerade Abflugroute festsetzen. Ebenso für schwerere Maschinen, die für den Langstreckenflug eingesetzt werden. Zudem muss bei einem Ausfall der Südbahn, der gesamte Abflugverkehr des BER über die Nordbahn abgewickelt werden.
Dies würde eine gerade Abflugvariante zwingend machen, so dass ggf. zwei Abflugrouten von der Nordbahn festgelegt werden müssten, soweit nicht eine andere Notfallroute festgelegt wird.
LärmschutzLaut Luftverkehrsgesetz (§29b LuftVG) ist
„…die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor … erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.“ Und:
„Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.“Bei der Flugroutenfestsetzung im Falle Blankenfelde-Mahlows spielt die Entscheidung zwischen einer Lärmbündelung oder einer Lärmverteilung eine Rolle. Hier bestätigte das BVerwG dem BAF einen
„…weiten Gestaltungsspielraum … zu entscheiden, ob ein großräumiger Lastenausgleich oder die Verschonung einzelner Gebiete gewählt werde.“ (BVerwG, 12.11.2014, RN 8)
[7].
Das OVG hat in seinem Urteil vom 19.09.2013 die Entscheidung des BAF für die gerade Abflugroute bei Tag von 06:00 bis 22:00 Uhr bestätigt; die gerade Abflugroute für die Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr jedoch wegen der stärkeren Lärmbelästigung im höheren db(A)-Bereich verworfen.
Das BVerwG hatte am 12. November 2014 das Urteil des OVG mit der geraden Abflugroute von der Nordbahn für den Tag bestätigt; die Nachtroute wurde nicht verhandelt. Daraufhin hat die DFS Alternativrouten ausgearbeitet und der beratenden Fluglärmkommission (FLK) am 24.11.14 erstmals zur Bewertung und Beratung vorgelegt.
Nachfolgend informiere ich Sie
1. zu der potentiellen Nachtflugroute
2. und der damit verbundenen Lärmschutzzone Nacht
Nachtflugroutenvorschläge der DFSDie am 24.11.2014 der FLK vorgelegten Routenvorschläge für die Nacht (22:00 bis 6:00 Uhr), sind Weiterentwicklungen bereits zuvor diskutierter Routen. Zur Begutachtung der Routen hinsichtlich der Lärmbelastung hat die DFS das NIROS-System
[8] verwendet. Das NIROS-System weist in der Bewertung des Fluglärms Schwächen auf, betrachtet es doch nur die Abflüge und vernachlässigt den Anfluglärm. Andererseits nimmt NIROS eine Gewichtung je nach Lärmintensität vor. Hohe Lärmbelastung wird mit einem Multiplikationsfaktor gewichtet und beim ‚Gütewert‘ berücksichtigt. Gleichwohl ist NIROS rechtlicher Standard, wie vom BVerwG (S.xx) mehrfach bestätigt.
Die nachfolgenden aktualisierten Grafiken hat die DFS der FLK zur 92. Sitzung am 23.02.2015 vorgelegt
[9].
Quelle: DFS, EDDB, 23.02.2015 [9]Die vorgelegten vier Flugroutenalternativen wurden von der DFS sogleich um zwei Routen reduziert, da die Routenalternativen 1 + 3 (rot gepunktet) im Flugverlauf ein starkes Rückschwenken zur Bestandsroute vollziehen. Hier ergäbe sich ein Sicherheitsrisiko in Bezug auf die Flugbewegungen der Südbahn, da durch Flugversatz, gestörte Aufmerksamkeit des Piloten, etc. ein Kollisionskurs resultieren könnte.
Quelle: DFS, EDDB, 23.02.2015 [9]
Diese Grafik zeigt die gerade Abflugroute - auch Bestandsroute - wie sie von dem BAF am 26.01.2012 festgelegt wurde.
Quelle: DFS, EDDB, 23.02.2015 [9]
Die oben dargestellte Variante 4 wird von der Gemeindevertretung Blankenfelde-Mahlow favorisiert, lenkt sie doch den Abflugverkehr am weitesten am Kerngebiet der Gemeinde vorbei. Zugleich führt diese Route zu den stärksten Beeinträchtigungen für den Berliner Stadtrand, dem Bezirk Lichtenrade.
Zur Lesart der Grafik: Die Idealtypisch dargestellte Route 4 (hellblau) wird umhüllt von einem fliederfarbig dargestellten Korridor. Dieser kennzeichnet eine Toleranzbereich von 1 nautischen Meile (ca. 2 km) beidseitig der Route. Diese Abweichungen innerhalb des Toleranzbereiches können sich durch die mehrmaligen Kurskorrekturen erhöhen und die Überflüge ggf. noch weiter nach Lichtenrade oder auch erneut ins Kerngebiet der Gemeinde hineinführen.
Bevölkerungsdichte und LärmbelästigungZur Ermittlung der Bevölkerungsdichte unter der Flugroute, wird das gesamte überflogene Gebiet in 125 x 125 Meter große Bereiche unterteilt. Die kleinen farbigen Quadrate in der Grafik zeigen diese Bereiche mit der jeweiligen Bevölkerungsdichte, wie in der Legende aufgeführt. Dann wird die errechnete Lärmausbreitung in Form von Schallisobaren in 1-dezibel-Schritten über die quadratischen Bereiche gelegt. Die hieraus ermittelte Zuordnung wird in den entsprechenden Lärmverteilungstabellen aufgegliedert. Zusätzlich zeigt die hellblaue Zahl „31“ die Gesamtheit der von Fluglärm betroffenen Personen unter dieser Route an.
Quelle: DFS, EDDB, 23.02.2015 [9]Bei der Betrachtung der Tabelle ist die erste und die letzte Zeile relevant – die erste Zeile spiegelt die (gerade) Bestandsroute lt. BAF vom 26.01.2012 wieder, die letzte Zeile die jetzt neu vorgelegte Alternativroute 4. Als erstes ist der Gütewert ähnlich hoch. Je niedriger der Gütewert, desto geringer die rechnerische Gesamtbelastung durch Fluglärm.
Weiterhin ist die Tabelle in Lärmpegelbänder aufgeteilt (bspw. 45 – 50 db(A)) – für die Nachstunden gilt der Bereich oberhalb von 50 db(A) als unzumutbarer Lärm. Es fällt auf, dass die Zahlen für die Bestandsroute außer im Pegelbereich 55 – 60 db(A) gleiche oder günstigere Werte, also geringere Belastungen ausweisen. Im Bereich der Gesamtbetroffenen weist die Bestandsroute sogar eine um rund 32% geringere Zahl der betroffenen Bevölkerung aus als die Alternativroute 4 (21,2 Tsd. zu 31 Tsd.).
Lärmfachliche Bewertung der DFSWie schon oben erwähnt, weist das NIROS-System für die Gesamtlärmbetrachtung Schwächen auf. Eine weitere Variante der Ermittlung der Lärmbelästigung bezieht zusätzlich die Landeanflüge ein und erstellt daraus ein Datenerfassungssystem (DES). Beide Betrachtungssysteme sind auf die Zukunft gerichtet und beziehen für den BER eine Prognose der Entwicklung des Flugverkehrs und der dabei verwendeten Flugzeugtypen für das Jahr 2023 ein.
Die hieraus resultierende Lärmfachliche Bewertung vom August 2013
[10] arbeitet mit zwei Abwägungs-DES: dem DES 3 (entspricht der geraden Bestandsroute) und dem DES 5 (entspricht der Routenvariante 4).
Quelle: DFS, Lärmfachliche Bewertung, 22.08.2013 [10]In der obigen Grafik ist das
DES 3 als Kontur (violette Linie) dargestellt, das
DES 5 als schraffierte Fläche (mit roter Flugbahn). Hierbei zeigen die Konturen die äußere Grenze des Lärmbereichs von 50db(A) äquivalenten Dauerschalls und den Maximal-Schallereignissen von 6 x 53db(A) – die Bereiche innerhalb der Kontur sind gleich oder lauter als die o.g. Werte. Diese Werte gelten nach FluLärmG
[11] als Grenzwert der unzumutbaren Lärmbelastung (s.a. Historie des FluLärmG
[12]). Die hierbei vorgenommene Fluglärmbetrachtung ist nicht mit der Festlegung der Lärmschutzzonen zu verwechseln; es kommen ggf. auch Lärmbereiche unterhalb des unzumutbaren Lärms zur Abwägung.
Quelle: DFS, Lärmfachliche Bewertung, 22.08.2013 [10]
Der Vergleich der beiden DES ergab bei der Schallbelastung der Bewohner innerhalb der o.g. Konturen eine um 2.873 geringere Anzahl von belasteten Bewohnern für das DES 5, also der nach Norden verschwenkten Route.
Quelle: DFS, Lärmfachliche Bewertung, 22.08.2013 [10]
Bei der Betrachtung der Betroffenenzahlen - aufgegliedert in den einzelnen Frequenzschritten - fällt auf, dass im Frequenzbereich 50 db(A) - also im Grenzbereich der unzumutbaren Belastung - die ungleich größte Differenz von 1.731 Personen vorzufinden ist. Es stellt sich die Frage, wie groß die Anzahl der mit zumutbarem aber noch für die Abwägung relevantem Lärm betroffenen Bewohner knapp unterhalb der 50 db(A)-Grenze ist. Dies nachzureichen wurde der DFS bei er letzten FLK-Sitzung am 23.02.15 aufgegeben, da diese Werte bei der Abwägung der Flugrouten ebenfalls von Belang sind.
Die aus dieser Lärmfachlichen Bewertung resultierenden Belastungswerte haben das OVG zu seinem Urteil vom 19.09.2013 geführt, der Klage von Blankenfelde–Mahlow für die Nacht stattzugeben und das BAF aufgefordert, die Routen für die Nacht erneut abzuwägen (OVG-Urteil, RN 75ff)
[13].
Bei der erneuten Abwägung der ggf. neuen Nachtflugroute nach DES 5 wird das BAF ebenso zu berücksichtigen haben, dass es eine große Zahl neubetroffener Bewohner geben würde. Daten des Einwohnermeldeamtes weisen auf Zahlen weit oberhalb von 4.000 Neubetroffenen hin. Wer von diesen Neubetroffenen Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen haben würde, wird nachfolgend behandelt.
Bedeutend für die Betroffenen bei dieser Betrachtung aber ist, dass der Anspruch auf passiven Schallschutz nur für Schlafräume besteht.
Festlegung von LärmschutzzonenDie Entwicklung und Festlegung von Flugrouten und die Festlegung von Schallschutzzonen sind zwei voneinander getrennte und unabhängige Verwaltungsverfahren. Letzteres basiert aber auf den durch das BAF rechtssicher festgelegten Flugrouten.
Die Ausweisung von Lärmschutzzonen regelt das ‚Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm‘ oder auch Fluglärmgesetz (FluLärmG) im §2
[14]. Dort sind die Lärmgrenzwerte für den Tag- und Nachtlärmschutz festgelegt.
Im Jahr 2007 wurden im Rahmen einer Novellierung des FluLärmG die Lärmwerte für neu erbaute oder wesentlich baulich erweiterte Flughäfen um 5 db(A) gesenkt. Da der Planfeststellungsbeschluss für den BER im Jahr 2004 erging, fällt der vom BER zu leistende Schallschutz leider nicht unter die novellierten und damit wesentlich verbesserten Werte.
Für den Flughafen BER ist das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (MLUL) des Landes Brandenburg zuständige Aufsichtsbehörde – das ihm angegliederte Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) ermittelt und legt die Lärmschutzzonen gemäß FluLärmG fest
[15].
Lärmschutzzone bei NachtDas LUGV hatte bereits im Januar 2015 neue potentielle Lärmschutzzonen für die Nacht (22:00 bis 06:00 Uhr) errechnet. Dies erfolgte anhand der von der DFS der FLK am 23.02.2015 vorgelegten neuen Routenvorschläge (s.o.) und zwar noch vor einer Festlegung einer potentiellen Nachtflugroute.
Die Lärmschutzzonen für die Nacht sind gekennzeichnet durch zwei Kriterien
1.
Lärm oberhalb von 55 db(A) außerhalb des Gebäudes; mit 55 db(A) ist die Schwelle des unzumutbaren Lärms erreicht (OVG).
2.
NAT 6 x 57 db(A); 6-malige Schallereignisse pro Nacht oberhalb 57 db(A) berechtigen zu passivem Schallschutz.
Aus beiden Lärmkriterien wird die zukünftige Lärmschutzzone ermittelt.
Die Grafik berücksichtigt alle 4 Alternativroutenvorschläge der DFS. Zur Verdeutlichung haben wir nachfolgend die relevanten Bereiche farblich hervorgehoben.
Der Gelb markierte Bereich kennzeichnet die Lärmschutzzone für die geraden An- und Abflugrouten (Bestandsroute, BAF 26.0.1.2012)
Der Rot gekennzeichnete Bereich hebt die Lärmschutzzone für die Alternativroute 4 hervor, sowohl für den geraden Anflug wie auch für den nach Norden verschobenen Abflugkurs. Hier ist erkennbar, dass die Lärmschutzzone für den An- und Abflug kleiner ausfällt als zuvor, Die Lärmschutzzone im Norden aber erheblich ausgeweitet ist.
Die oben dargestellten farbigen Bereiche zeigen die Lastenumverteilung zwischen den beiden Routenalternativen. Der Gelb gekennzeichnete Bereich weist den lärmreduzierten Bereich aus, der zu Lasten des rot gekennzeichneten Bereiches nach Norden verlagert wird.
Auswirkungen einer nach Norden verschobenen NachtflugrouteDie hinter dieser grafischen Darstellung liegenden Fakten bedeuten:
1. Der gelbe Bereich ist nicht von Fluglärm ausgenommen; der Lärm in diesem Bereich ist jedoch entsprechend reduziert, aber immer noch vorhanden.
2. Der rote Bereich kennzeichnet den Bereich des neubetroffenen Gemeindegebietes und damit verbunden weit über 4.000 neubetroffene Gemeindemitglieder in dieser Zone. Weitere Betroffene am Stadtrandgebiet wie Lichtenrade sind zu erwarten und nicht einberechnet.
3. Die innerhalb dieser Zone Lebenden haben Anspruch auf passiven Lärmschutz in den Schlafräumen und auch nur in den Schlafräumen.
4. Das bedeutet, ab 22:00 Uhr muss man die Schlafräume aufsuchen, um einigermaßen Ruhe zu haben oder die Fluglärmbelastung in den anderen Räumen der Wohnung / des Hauses aushalten.
5. Alle knapp außerhalb der „Lärmschutzzone Nacht“ Lebenden müssen mit 54 db(A), 53 db(A), usw., also knapp unterhalb der Grenze des unzumutbaren Lärms, ohne passiven Schallschutz sowohl in den Schlafräumen wie auch in der gesamten Wohnung / Haus auskommen.
6. Die Bewohner des Kerngebietes in Blankenfelde-Mahlow hingegen haben sowohl garantierten Schallschutz für den Tag wie auch für die Nacht; auch diejenigen, die in der Lärmumverteilungszone leben
[16] Seite 257, Zeile 8].
Das Gemeindegebiet von Blankenfelde-Mahlow unterliegt in Folge des Planfeststellungsbeschlusses BBI zu 70% einer Siedlungsbeschränkungszone (FNP, S.31ff
[17]). In dieser Zone dürfen keine Neubauvorhaben mehr genehmigt und durchgeführt werden, außer bei dringend gebotenen Ausnahmen (FluLärmG, §5
[18]).
Der Norden Mahlows ist mit ca. 70 ha noch einzig verbliebene Entwicklungsfläche für die Gemeinde
[19]. Dieser Bereich ist bereits im „Gemeinsames Strukturkonzept Flughafenumfeld Berlin Brandenburg International BBI (GSK)“
[20] als Erweiterungsfläche für das Wohnen 1. Priorität ausgewiesen, mit Wohnungspotential für 2.500 bis 3.200 Bewohner.
In städtebaulicher Hinsicht aber würde eine Nord-Nachtflugroute wie sie die Gemeinde anstrebt zu einer Ausweitung der Siedlungsbegrenzungszone auf eben dieses Gebiet führen und damit die mögliche Neuausweisung von Wohnungsbauflächen zunichte machen. Das Entwicklungspotential der Gemeinde mit hohem Standortpotential in Mahlow-Nord wäre damit verloren.
In Hinsicht auf die zu erwartende Lärmbelastung bei einer Nordabkurvung der Flugroute über Mahlow-Nord, würde sich die Gemeinde zudem ihres letzten Rückzugsgebietes vor Fluglärm für soziale und schulische Einrichtungen aus ganz Blankenfelde-Mahlow berauben.
Weiterhin würde durch die zusätzliche Lärmbelastung des angrenzenden Berliner Bezirkes Lichtenrade ein ‚Lärmexport‘ erfolgen. Es käme zu einer großen Zahl von neubetroffenen Bewohnern im Bereich Mahlow-Nord und Lichtenrade, die sich im Vertrauen auf die Aussagen der Politik, der Planungsbehörden und der Flughafengesellschaft hinsichtlich gerader Abflugrouten, in eben diesem Gebiet niedergelassen haben.
EntscheidungsprozesseDie Gemeinde Blankenfelde-Mahlow entsendet wie andere Anliegergemeinden des BER einen Vertreter in die FLK, von der die DFS und das BAF eine Flugroutenempfehlung erwartet.
Eine Entscheidung und die Festlegung der Gemeinde auf eine der Routenvarianten – speziell der Alternative 4 - aufgrund des Urteils des OVG vom 19.09.2013 erscheint nicht zwingend, wenn es das Wohl und das Gesamtinteresse der Gemeinde behindert.
Das BVerwG hatte 2014 ausgeführt:
„Das BAF ist nicht gehindert, je nach den örtlichen Verhältnissen und der Bilanzierung der betroffenen Belange einer Bündelung oder einer Streuung unzumutbaren Lärms den Vorzug zu geben.“ [21]Auch das BAF interpretiert anlässlich der 90. Sitzung der FLK vom 12.05.2014 wie folgt:
„Das BAF versteht das Urteil des OVG so, dass nach einer erneuten Beratung durch die FLK und einer erneuten Abwägung die Festlegung eines Geradeausfluges nicht ausgeschlossen sei." [22]Der öffentliche Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess innerhalb der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow beginnt erst jetzt:
* 12.05.2015, 19:00 Uhr: UFE - Ausschuss für Umwelt, Flughafen und Energie, Aula der Astrid-Lindgren-Grundschule, Schulstraße 1, 15831 Mahlow;
Gäste: Herr Dr. Siebeck (Anwalt der Gemeinde), Herr Niebergall (DFS).
* 21.05.2015, 19:00 Uhr: HA – Hauptausschuss der Gemeinde Blankenfelde – Mahlow, Bürgerhaus Bruno Taut in Dahlewitz, Am Bahnhofsschlag 1, 15827 Blankenfelde-Mahlow.
* 28.05.2015, 19:00 Uhr: GV – Gemeindevertretung der Gemeinde Blankenfelde – Mahlow, Vereinshaus Mahlow, Immanuel-Kant-Straße 3-5, 15831 Blankenfelde-Mahlow.
Beteiligen Sie sich am Entscheidungsfindungsprozess. Stellen Sie Ihre Fragen. Äußern Sie Ihre Meinung und ggf. Bedenken. Überprüfen Sie die hier erfahrenen Fakten anhand der Aussagen der Experten.
Bernd Röstel
04.05.2015
Quellen:
[1]
OVG Berlin-Brandenburg, 19.09.2013, OVG 11 A 4.13[2]
Bundesverwaltungsgericht, 12. November 2014, BVerwG 4 C 37.13 [3]
Wikipedia - Anflugverfahren[4]
Der Spiegel: Ostdeutsche Musterkommune: Westgeld? Kein Bedarf!, 22.03.2012[5]
Festlegung von Flugverfahren für den Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg (BER), BAF, 26.01.2012 [6]
Luftverkehrsgesetz (LuftVG)[7]
Bundesverwaltungsgerichts, 12. November 2014, BVerwG 4 C 37.13, RN 8: [8]
Deutsche Flugsicherung, NIROS [9]
Deutsche Flugsicherung GmbH zur 92. Sitzung der Fluglärmkommission EDDB am 23.02.2015[10]
Lärmfachliche Bewertung für den Flughafen Berlin Brandenburg (EDDB), Vergleich von alternativen Abflugrouten der Startbahn 25R, 22.08.2013 [11]
Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG [12]
DFLD -- Fluglärmgesetz - Die Geschichte der Novellierung vom Fluglärmgesetz [13]
OVG-Urteil vom 19.09.2013, RN 75ff: [14]
Fluglärmgesetz[15]
LUGV: Ausweisung des Lärmschutzbereichs nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FlugLSG) - Erläuterungen zu den gesetzlichen Grundlagen und Eingangsdaten [16]
Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg, Planergänzungsbeschluss - „Lärmschutzkonzept BBI“, 20.10.2009[17]
FNP, Flächennutzungsplan für die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, September 2011[18]
FluLärmG:
[19]
Rahmenplanung Mahlow-Nord, Bestandsaufnahme und Planungsgrundlagen, April 2011, S.3ff: [20]
GSK, Gemeinsames Strukturkonzept Flughafenumfeld Berlin Brandenburg International (BBI), April 2007[21]
Bundesverwaltungsgerichts, 12. November 2014, BVerwG 4 C 37.13[22]
Protokoll 90. FLK-Sitzung vom 12.05.2014, TOP4, Nordumfliegung Blankenfelde-Mahlow Nachtzeitraum